Siedlerspiegel


von Joachim Wittstock

Von Leuten berufen, die selbst nicht wußten, was sie versprachen und in was für Geschichten sie einen da hineinritten, brachen sie auf von Mosel und Rhein, diese Brotlosen: jedoch wer brotlos ist, wird Brot schaffen.

Reizvoll wäre es gewesen, mit der Armbrust dem Wild in dieser Gegend nachzustellen, aber sie mußten immer wieder zum Schwert greifen: anstatt die Hände zu lassen vom zweischneidigen Brooser und Draaser Schwert, faßten sie es entschlossen an.

Ohne Bedenken gingen sie daran, die Landschaft zu verwüsten: sie hieben die Wälder nieder für hohe Gerüste und rissen die Berghänge auf und verwamdelten sie in trostlose Steinbrüche.

Sie waren so einfallslos, daß sie die Straßen möglichst gerade zogen und auch die Felder genau abgrenzten, und waren so ungemütlich, daß sie die Zeit nutzten, trotz des Weins, der sie berauschte mit Bildern dieser nicht unschönen Provinz.

Wo sie lebten, floß viel Blut: wenn sie zum Beispiel im April hinter dem Pflug gingen, wenn sie die Felder besäten oder im Juli den Weizen schnitten, strömte das Blut lebhafter ins Herz und verließ es in regelmäßigen Schlägen.

Ihre Wehrmauern und Türme waren leicht abgeschrägt, und wenn es schneite, zog der Schnee sich Stein für Stein empor: bis zum Dach waren dann Dörfer und Städte weiß und sind im Winter fast völlig verschwunden.

 

Joachim Wittstock, Blickvermerke, Dacia Verlag, Cluj-Napoca 1976, S. 5

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