„Für Kunst stets empfäglichen Sinn“


Zum 125. Todestag von Johann Michaelis

Das Siebenbürgisch-Deutsche Tageblatt veröffentlichte am 28. Juni 1877 folgende Todesnachricht: „Wieder hat unser Volk einen schmerzlichen Verlust zu beklagen. Johann Michaelis, evangelischer Pfarrer in Alzen, der auf dem Gebiete von Schule und Kirche eine rührige Tätigkeit entfaltet und durch seine Schul- und Confirmadenbücher auch in weiteren Volkskreisen ein ehrendes Denkmal sich gesetzt hat, ist heute Nacht nach längerer, schmerzhafter Krankheit im 64. Lebensjahr verschieden. Ruhe seiner Asche!“

Johann Michaelis, Sohn des Wundarztes gleichen Namens, wurde am 9. November 1813 in Hermannstadt geboren, wo er auch die Volkschule und das Gymnasium besuchte. Der Tod des Großvaters 1826 und des Vaters 1832 stürzte die Familie in große materielle Schwierigkeiten. Michaelis begleitete 1830 den Sohn des Arztes Sporer in die Walachei, nahm 1832 eine Lehrerstelle im Hause der Gräfin Teleki an und immatrikulierte sich im Herbst desselben Jahres an der Wiener Hochschule. Wegen Geldmangel kehrte Michaelis schon 1834 heim und nahm abwechselnd Stellen als Privatlehrer, Mädchenschul- und Seminarlehrer an, um vorübergehen auch am Gymnasium zu unterrichten. Die mit Elisabeth Filtsch 1838 geschlossene Ehe war mit vier Söhnen gesegnet, die sich, ihren Eltern gleich, zu tüchtigen Persönlichkeiten entwickeln sollten.

In den 1840er Jahren gründete Michaelis in Hermannstadt das „Erziehungsinstitut für Mädchen der gebildeten Stände“ mit Pension und leitete es bis 1848. Sehr fruchtbar war Michaelis’ schriftstellerische Tätigkeit: Schulbücher (Erdbeschreibung von Ungarn, Naturgeschichte für Volksschulen, Deutsche Sprachlehre, „Kokesch-Fibel“), „Confirmanden“-Büchlein (in mehreren Auflagen), ab Juni 1864 Herausgabe des „Siebenbürgischen Volksfreundes“ u.a.m. Nach der Flucht in den Revolutionswirren (März bis August 1849) und Heimkehr aus der Walachei wurde Michaelis zum Spitalsprediger berufen.

„Sein für die Kunst stets empfänglicher Sinn zeigte sich frühzeitig. So lernte er noch während seiner Studienzeit die Flöte spielen und übte ohne Lehrer auf dem Klavier. Oft noch sollte ihm in seinen späteren Jahren die Musik das Leben erheitern und verschönern“, heißt es im Kalender der Siebenbürgischen Volksfreundes 1894/1895. Seit der Gründung des Hermannstädter Musikvereins 1838 war Michaelis Mitglied, 1849 wurde er zum Musikdirektor gewählt. „Seit Ende 1855 veranstaltete Michaelis in seiner Wohnung (mit Beleuchtung und Beheizung aus eigenen Mitteln) jeden Mittwoch musikalische Zusammenkünfte, zu denen er nicht wenig Mühe und Zeitaufwand verwendete. Aus diesen Musikabenden entwickelte sich im Dezember 1859 das Konkordia-Kränzchen“. 1860 ehrte ihn der Musikverein durch Erwählung zu seinem Ehrenmitglied. Großen Anklang fanden die musikalischen Aufführungen in der Spitalskirche.

Nachdem Michaelis 1850 eine Wahl in die erledigte Pfarre der Kirchengemeinde Marpod abgelehnt hatte, wurde er am 6. April 1861 mit 132 Stimmen (bei nur 15 Gegenstimmen) zum Alzner Pfarrer gewählt und am 17. April installiert. Sogleich wurde er – mit Erfolg – sehr aktiv. Er gründete in der folgenden Zeit einen Gesangsverein, der sogleich der 1860 gegründeten „Leschkircher Stuhls-Liedertafel“ beigetreten ist. Michaelis wurde als Nachfolger von Dr. med. Cal von Heldenberg zum Vorsitzenden dieses Vereins gewählt. So traten am 12. August 1866 die Alzner und Leschkircher Männergesangsvereine gemeinsam in Leschkirch erfolgreich auf, „deren Erträgnis an 29 Gulden 40 Kreuzer als patriotische Gabe für verwundeter Krieger“ (österreichisch-preußischer Krieg) gespendet wurde. Auch die Alzner Bläser (Adjuvanten) verdanken Michaelis ihren Start. „Die Alzner als die größte Gemeinde im Leschkircher Stuhl fanden es allmählich selbstverständlich, daß sie die beste Musikkapelle, die besten Sänger haben müßten“.

Der Leschkircher Lehrer-Zweigverein, dessen Vorsitz Michaelis jahrelang inne hatte, vereinigte mehrere Lehrer und Prediger zu einem Streichquartett, das der Sohn und Nachfolger im Pfarramt Julius Michaelis zur Perfektion führen sollte. Die Leseabende, die unterhaltenden Abende mit z.T. von Michaelis selbst verfassten Possenstücken, die Schul- und Volksfeste wurden von der Bevölkerung freudig mitgestaltet und angenommen.

Nicht minder erfolgreich war Michaelis auf landwirtschaftlichem Gebiet. In Alzen wurde ein loser Landwirtschaftsverein gegründet, dem „ein jeder unbescholtene Bürger der Gemeinde, als Mitglied beitreten konnte“. Von den geringfügigen Mitgliedsbeiträgen wurden bei den regelmäßig stattfindenden Viehauktionen die tüchtigsten Viehzüchter prämiert. Mit der Messkette schritt Michaelis voran, den Bauernwirten die Anschlussstraße an die zehn Jahre zuvor gebaute Kreisstraße Hermannstadt/Leschkirch/Agnetheln auszustecken und ihren Ausbau persönlich zu leiten.

Michaelis erfreute sich großer Wertschätzung unter seinen Zeitgenossen. So wandte sich der lebensmüde Joseph Bedeus von Scharberg mit der Bitte an Michaelis, ihm und seiner Familie das heilige Abendmahl zu reichen. „Der beliebte Kanzelredner“ kam dieser Bitte gerne nach. Bedeus starb einige Tage später, am 6. April 1858. Sachsenkomes Franz von Salmen ehrte seinen Freund Michaelis durch seine Anwesenheit am 17. April 1861 bei der Präsentation in Alzen. Der große Sachsenbischof G.D. Teutsch zählte zu seinen Bekannten und Freunden, „mit denen der Verkehr nie unterbrochen wurde“.

Aus diesem nimmermüden Schaffen hat der Tod Michaelis abberufen. Das Siebenbürgisch-Deutsche Tageblatt schrieb: „Das Leichenbegängnis des Alzner Pfarrers und Decan des Leschkircher evang. Kirchen-Kapitels, Johann Michaelis, fand vorgestern, Freitag, den 29. Juni 1877, unter außerordentlicher Beteiligung der Gesamtbewohnerschaft der Gemeinde Alzen – ohne Unterschied der Nation und Confession – , dann im Beisein des Herrn Superintendenten Dr. Teutsch, mehrerer Freunde der Familie und zahlreiche Geleite aus Leschkirch, Marpod, Holzmengen und Kirchberg statt. Um 3 Uhr Nachmittags wurde die Leiche vom evang. Presbyterium auf den romantisch steil gelegenen Friedhof getragen, wo Pfarrer Schullerus (Marpod) in ergreifenden Worten den dahingegangenen Freund seines Volkes und Vater seiner Familie dem von der Bruderschaft des Dorfes ganz mit Blumen und Blüten geschmückten und bis zum Boden verzierten Grabe übergab. Sodann bewegte sich der Zug in die Kirche, wo Pfarrer Orendi (Leschkirch) die Gedächtnisrede auf den Dahingegangenen in würdiger Weise hielt“.

Michael Edling
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