„Und gib dein Erbe nicht dem Raub anheim“


Eine Inschrift aus dem Jahre 1673 in Leschkirch

Von Lore Poelchau

Die Inschrift, von der hier die Rede ist, befindet sich am nordwestlichen Turm der ehemaligen Kirchenburg, der gut erhalten ist und heute neben dem Schulhof liegt. Auf der Nordseite des Turmes ist am oberen Geschoß unter der Dachtraufe ein doppelfensterartiges Feld von einer Profilleiste eingerahmt, in dem die Inschrift enthalten ist. Zwar sind auch außerhalb des umrahmten Feldes noch Reste von Schriften zu sehen, doch ergibt eine längere Zeile unter der Hauptinschrift keinen verstehbaren Sinn, und andere Reste lassen sich nur noch ahnen.  Rechts oben neben dem „Fenster“ ist deutlich lesbar der bekannte Text aus dem Römerbrief 8,31: SI DEUS PRO NOBIS QUIS CONTRA NOS.

Die Inschrift im umrahmten Mittelfeld sieht folgendermaßen aus:

PRINCIPE    TRANIAE      D. Michaele APAFFIO      AEDIFICAT…ST HAEC TURRIS FIDE      …CURAPRAE…ST…R..UMED PETRI      HENC      PASTORIS GEORGI SUT. REGII MICH. BREKNER SED.  IUDICU      VAL. GROSS VIL. GEOR. FIED. SUBST.      EXISTENTIU       ANNO 1673

Der Text kann etwa so ergänzt werden:

Felicissime regnante      Principe Transsilvaniae       Domino Michaele Apaffio       aedificata est haec turris fide       et cura………………. Petri Henning       Pastoris Georgii Sutoris Regii et       Michaelis Brekner Sedis Iudicum       Valentini Gross villici Georgii Friedsam sub=sistuti vilici existentium       anno 1673

In deutscher Überzetzung lautet er:

Unter der glücklichen Regierung des Fürsten von Siebenbürgen, des Herrn Michael Apafi, ist dieser Turm erbaut worden durch treue Sorgfalt des Pastors Petrus Henning, des Königsrichters Georg Sutor, des Stuhlsrichters Michael Brekner, des Hannen Valentin Gross und des gewesenen Hannen Georg Friedsam, die hier leben, im Jahr 1673.

Beamtenturm um 1960

Die Inschrift datiert also den Bau eines Turmes in ein bestimmtes Jahr und erwähnt ehrend die für den Bau Verantwortlichen. Darüber hinaus versäumt sie nicht, dem derzeit regierenden Landesfürsten die gebührende Referenz zu erweisen. Auf den ersten Blick sind weiter keine auffallenden Aussagen enthalten. Trotzdem lohnt es sich, bei den angegebenen Namen und Fakten noch ein wenig zu verweilen.

Michael Apafi, ein Glied der ungarischen Adelsfamilie, die Besitzungen in Malmkrog und Elisabethstadt hatte, war eher zufällig Fürst von Siebenbürgen geworden. Gerade erst aus tatarischer  Gefangenschaft zurückgekehrt, wurde er auf Geheiß des türkischen Ali Pascha 1661 nach Neumarkt geholt und von diesem am 14. September desselben Jahres zum Fürsten von Siebenbürgen ernannt – weil sich kein anderer gefunden hatte, der das Fürstenamt übernehmem wollte, auch nicht der säschsische Bischof Lucas Hermann oder der Bodendorfer Pfarrer Peter Soterius, denen Ali Pascha das Amt angetragen hatte. Der Landtag von Kleinschelken konnte diese Wahl Ende November 1661 nur noch bestätigen.

In den Jahren 1658 bis 1661 hatte Siebenbürgen durch die Überfälle der Türken und Tataren die- nach dem Mongolensturm von 1241 – vielleicht schlimmste Zeit seiner Geschichte erlebt. Das Ausmaß von Zerstörung, Verschleppung der Bevölkerung, Verlusten durch Gewalttaten und Pestepidemien war unvorstellbar. Aber auch nach diesen Jahren kam das Land nicht zu Ruhe, und der Kampf um den Besitz von Siebenbürgen, der zwischen Östereich und den Türken ausgefochten wurde, wirkte sich für die Bewohner des Landes ebenso verhängnisvoll aus, wie der Mangel an einer festen und zielbewußten Regierung. Denn Michael Apafi gilt als einer der schwächsten Erscheinungen auf dem siebenbürgischen Fürstenthron. Das Regieren überließ er vor allem seinem Kanzler Michael Teleki. Rechtsunsicherheit, fürstliche Willkür und Geldforderungen steigerten noch die ohnehin bestehende Not und Armut des geplagten Landes, das von den durchziehenden Heeren ständig von neuem arg mitgenommen wurde.

Schließlich stellte Apafi 1686 das Land Siebenbürgen unter den Schutz Kaiser Leopolds. Aber dadurch, daß er schon eine Woche nach dem Vertrag von Wien wieder den Türken den Treueid leistete und so den Österreichern als unsicherer Verbündeter erwies, trug er dazu bei, daß Siebenbürgen von der österreichischen Besatzungsmacht wie Feindesland behandelt wurde und weiterhin zu leiden hatte.

Von einer „glücklichen Regierungszeit“ (felicissime regnante) des Fürsten Michael Apafi kann man ehrlicherweise da wohl kaum sprechen. Trotzdem hat die vom Kronstädter Archivar Gerolt Nussbächer vorgeschlagene Ergänzung der nicht mehr lesbaren obersten Zeile unserer Inschrift durch den Vergleich mit Textparallelen alle Wahrscheinlichkeit für sich und ist natürlich nicht wörtlich aufzufassen, sondern nur als damals übliche, dem Fürsten gebührende Formel. Dabei muß ein Superlativ wie dem Wort felicissime kein elativischer Sinn unterlegt werden, da ja in den konventionellen Anreden und Titulaturen des 17. Jahrhunderts für hochgestellte Personen superlativische Formen gebräuchlich bzw. durch die Konvention vorgeschrieben waren.

Die wichtigste Information der Inschrift ist zweifellos die Aussage, das der Turm im Jahr 1673 erbaut worden sei, aedificata est haec turris. Es hätte vielleicht korrekter heißen sollen reaedificata est. Denn als Ende des 16. Jahrhunderts, nachdem sich zahlreiche türkische Raubzüge bis in die Zibinsebene hinein erstreckt hatten, auch in Leschkirch Wehranlagen rund um die Kirche entstanden, baute man den ersten gemauerten Bering als ein unregelmäßiges Fünfeck mit fünf Türmen. Unser Turm stellte die nordwestliche Befestigung dar und ist als Beamten- oder Speckturm bekannt. In ihm waren in vier Geschossen die Stuhlsbeamten Wohnungen eingerichtet, die von außen durch überdachte Holztreppen zu erreichen waren. Die Verwendung als Speckturm gehört in eine spätere Zeit.

Anfang des 17. Jahrhunderts wurden umfangreiche Ausbauarbeiten an der Kirchenburg vorgenommen, doch wäre es nicht verwunderlich, wenn schon um 1670 herum der Beamtenturm wieder einer gründlichen Erneuerung bedurfte, waren doch kurz zuvor die schlimmen Tataren- und Türkenstürme über das Land gegangen.

Beamtenturm vor 1900

Der im Jahr 1673 erfogte Wiederaufbau des Turmes war sicher der Initiative und tätigen Mithilfe führenden Beamten von Leschkirch zu verdanken. Die Inschrift ehrt diese Männer, indem sie ihre Namen und Amtsstellungen nennt und ihren getreulichen Einsatz (fide et cura) würdigt.

Auf diese Weise erfahren wir, daß damals Georg Sutor Königsrichter (regius judex) und Michael Brekner Stuhlsrichter (judex sedius) in Leschkirch waren, daß ein Valentin Gross Hann (villicus) war und der gewesene (stellvertretende) Hann (Substitutus villici) mit Vornamen Georg hieß und mit Familiennamen vielleicht Friedsam, was nicht eindeutig zu lesen ist. Doch ist Friedsam ein in Leschkirch häufiger Name.

In damaliger Zeit rangiert die Geistlichkeit noch ganz sebstverständlich vor den Vertretern der weltlichen Obrigkeit. So erscheint der Ortspfarrer Petrus Henning als erster in der Inschrift. Über diesen ist einiges bekannt. Seine Handschrift kann man noch in der ältesten von Leschkirch erhaltenen Matrikel lesen, die sich im Staatsarchiv in Hermannstadt befindet. Petrus Henning wurde 1634 in Hermannstadt geboren, war dort Lektor am Gymnasium und wurde 1666 Pfarrer in Leschkirch. Von dort wechselte er 1679 ins Pfarramt nach Großscheuern über, 1682 nach Hammersdorf und war von 1685 bis zu seinem Tod am 13. August 1704 Pfarrer in Stolzenburg. Seit 1695 hatte er auch das Amt des Hermannstädter Kapitelsdechanten zu verwalten.

Grabstein Valentin Gross

Als Petrus Henning Anfang des Jahres 1666 die Taufmatrikel von Leschkirch anlegte, überschrieb er sie Cathalogus Infantum per lavacrum Regenerationis renatorum Ecclesiae Christi insertorum conscriptus per Petrum Henning Cib. -Past. Anno 1666.

Am 8. Januar 1676 konnte er die Geburt seines einzigen Sohnes Petrus eintragen, der aber, wie die Stolzenburger Matrikel berichtet, bereits 1687 starb, nur elf Jahre alt. Die Namen der Taufpaten zeigen, mit welchen Kreisen der Pfarrer Henning freundschaftlich verbunden war. Er trägt als Paten den Pfarrer von Burgberg, Martin Kirtzer, und den Pfarrer von Holzmengen, Johannes Kisch, ein, dazu den Königsrichter von Leschkirch, Michael Brekner, den Großvater Samuel von Brukenthals. Zwei Patinnen werden wie üblich nur mit den Namen ihrer Ehegatten angeführt; es sind dies die Frau des bekannten Hermannstädter Stadtpfarrers Jacob Schnitzler und die Frau des Heltauer Pfarrers.

Bei seinem Weggang aus Leschkirch beendet Pfarrer Henning seine Aufzeichnungen in die Matrikel mit einer lateinischen Eintragung vom Ende des Jahres 1678, die übersetzt lautet: „ Bis hierhin hat alles getreulich aufgezeichnet Petrus Henning, bis jetzt Pfarrer von Leschkirch, nun aber im Begriff, mit dem Beistand der göttlichen Gnade und Barmherzigkeit den Seelen der Kirche von Großscheuern zu dienen und über sie zu wachen. Bewahre, Herr, deine Herde und gib dein Erbe nicht dem Raub anheim. Amen.“

 

Artikel erschienen in der Hermannstädter Zeitung 1994 

 

Der Ortsname Leschkirch

Nach Gustav Kisch

Vergleiche dazu die Ortsnamen Läschhof bei Trier, Lescherhof an der Mosel, Löschenbruch bei Saarlouis. Dazu der moselfränkische (luxemburgische) Flurname Lesch, Loesch, Lasch. Lesch oder Lösch bedeutet in der moselfränkischen (eifel.) Mundart „Schlif“. Unser Leschkirch liegt an dem an vielen Stellen sumpfigen Harbach.

Nach Horst Klusch

…„Zu der Herkunft des Namens kenne ich zwei Varianten.

Nach Kischs Theorie könnte Lesch- aus dem Moselfränkischen stammen, wo es „Schilf“ bedeutet.

Richard Huß leitet den Namen Leschkirch von Ladislaus ab, der auch der Schutzpatron der Kirche war. Namensverkürzungen wie etwa (Ladis)laus, Leus, Loes, zeigt ja auch (Ni)colaus, in Klos, Klös, Klusch.. Urkundlich hieß Leschkirch: 1349 Leuskyrch, 1351 Loeskirch, 1374 Luschkirch, Anfang des 16. Jahrhunderts Lauskirch.

Persönlich ziehe ich (im Gegensatz von Anneliese Thudt) die Theorie von Huß vor, denn, Huß kannte Kischs Theorie, konnte demnach abwägen. Hätte Kisch Hußs Theorie gekannt, hätte er vermutlich seine eigene abgeändert. Wenn auch Schilf im Haarbachtal reichlich vorhanden ist (nicht nur bei Leschkirch), wird die Kirche damit kaum in Zusammenhang gebracht worden sein, weil normalerweise eine Kirche durch den Namen des Schutzpatrons bestimmt wurde.

Vom Namen Ladislaus leite ich auch eine weitere Hypothese ab. Ich vermute dass die „Hermannstädter Ladislausprobstei“ in Leschkirch gegründet wurde. Da Leschkirch in Verdacht kam, sich in Milkow ortodoxen Priestern genähert zu haben, hatte Gregorius 1190 verfügt, dass diese nach Hermannstadt versetzt wurde… Für Leschkirch als Kapitelsvorort in den Jahren 1166 -1190 kann ein weiteres Argument ins Feld geführt werden, denn es belegt einen weiteren Namen dieser Ortschaft „Nogrech“ (1263 belegt) – aus dem später die rumänische Bezeichnung „Nocrich“ entstand. Richard Huß interpretiert No-grech  als Neugriechisch. Dann wäre das Eingreifen des Kardinals Gregorius verständlich, der 1190 die Probstei nach Hermannstadt versetzte, und sie hier zunächst in der Kreuzkirche unterbrachte, bis in Eile im Südosteck des Huetplatzes eine Ladislauskapelle erbaut wurde.

Befragt man die Urkunde von 1191 erhält man eine klare Antwort. König Bela hatte die Probstei in Hermannstadt nur bestätigt ,,wie auch Gregor, Kardinaldiakon zu Sankt Maria in Porticu, damals Legat des apostolischen Stuhles, das Dukument „mit einer Bestätigung bekräftigt“ hat. Von Gründung ist in diesen Dokumenten keine Rede.“

 

Leschkirchs Frühgeschichte

Um 1189 besteht Leschkirch als kleine Primärsiedlung aus etwa 8 Höfen und aus einer kleinen Holzkirche.

Bis 1239 hat sich die Einwohnerzahl auf etwa 80 Seelen verdoppelt.

Um 1289 ist die kleine gemauerte, turmnlose romanische Kirche von einer Holz-Erde-Wehranlage umgeben.

1364 wird ein Harbacher Stuhl (sedis hortobagh) urkundlich genannt. 1392 gehören 13 Gemeinden zum Leschkircher Stuhl, dem zweitkleinsten der Sieben Stühle.

1488 werden in „Lauskirch“ 35 Wirte, zwei wüste Höfe, zwei Hirten und ein Schulmeister gezählt.

Am 22. Januar 1493 dringen die Türken in die Zibinsebene ein und verwüsten auch die Dörfer im Harbachtal.

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