Der Sauerteigesser


Ein Leschkircher Mädchen hatte zwei Verehrer, und an beiden fand sie Gefallen. Doch blieb ihr nichts übrig, als sich für einen zu entscheiden. Wer von den beiden es aber sein sollte, darüber konnte sie auch nach langem Überlegen nicht mit sich einig werden. Deshalb entschloß sie sich, die zwei Burschen unbemerkt zu beobachten; das Verhalten ihrer Hofierer sollte ihr die Entscheidung erleichtern.
An einem Abend versteckte sich das Mädchen unter dem Fenster des einen Burschen, um zu hören, wie es in dem reichen Hause zugehe. Als der Bursche hungrig von der Arbeit heimkam, verlangte er in schroffem Ton  von seiner Mutter zu essen. Sie habe nichts gekocht, in der Almerei (1) sei aber Sauerteig, den solle er essen, sagte sie, kurz angebunden.
Unter dem Fenster des zweiten, ärmeren Burschen konnte das Mädchen gleichfalls hören, wie dieser zu esssen verlangte – in einem gebührenden Ton. „Ich habe Reppenlawend (2) gekocht, du kannst davon essen“, sagte seine Mutter zu ihm.
Das Mädchen hatte genug gehört und ging nach Hause. Am nächsten Tag traf sich die Jugend beim Tanz. Als der erste Bursche mit dem Mädchen tanzte, rief sie laut:
„Isauß, di naichent Dißem frauß!“ (3)
Während sie sich mit dem zweiten Burschen drehte, rief sie laut den Rufreim:
„Dreid ich, ir meng schatzich Feß,
Reppenlawend schmackt gor seß!“ (4)
Beide Burschen schämten sich über die Rufverse, der eine wegen seiner Erniedrigung und der zweite wegen seiner Armut. Zum Ehegatten aber wählte sie den zweiten, der wie auch seine Eltern, tüchtig und gutmütig war, Isauß aber zog sich zurück und versuchte nicht mehr, dem einfallsreichen Mädchen den Hof zu machen.

(1) Wandschrank.
(2) Rübensuppe.
(3) Isauß, der gestern abend Sauerteig fraß!
(4) Dreht euch, ihr meine lieben Füß`,Rübensuppe schmeckt gar süß!

 

Friedrich Schuster, Der Weisse Büffelstier, Ion Creanga Verlag, Bukarest 1987, S. 130
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