Ältestes Leschkircher Steinhaus 500 Jahre alt


Unsere im 12. Jahrhundert von der Mosel, Luxemburg und Flandern nach Siebenbürgen eingewanderten Vorfahren haben einige Jahrhunderte hölzerne Häuser mit Strohdächern gebaut und bewohnt. Die ersten aus Stein gebauten Gebäude waren Kirchen (in Leschkirch vor 1241), dann Wehrmauern und -türme (in Leschkirch um 1500). Holzhäuser „schmückten“ um diese Zeit noch die Dorfgassen. Auch in Hermannstadt gab es im 16. Jahrhundert noch viele Holzhäuser, „1599 sogar noch eines am Großen Ring“. Der Hermannstädter Stadtrat beschließt 1546, „dass Pfarrherrn in der Stadt nur hölzerne Häuser kaufen dürfen, um sie dann solide umzubauen.“ (E. Sigerus-Chronik) Steinhäuser demonstrieren Macht und Reichtum, deren Besitzer galten als „Stinrech“ (steinreich). Das erste Steinhaus in Leschkirch wurde 1505 in der Obergasse Nr. 97 (früher 6) gebaut und steht auch heute noch.

Der Bauherr Balthasar Schuster (Szutor) soll laut Familienüberlieferung Bauer und einige Jahre Königsrichter des Leschkircher Stuhles gewesen sein. Kraft dieses Amtes war es ihm möglich, die an der Kirchenburg arbeitende Maurergruppe auch für seinen Bau zu verpflichten. Die Außenmauern des Hauses haben eine Stärke von 72 (Vorderzimmer) bzw. 62 Zentimeter (Küche und Hinterzimmer; auf Abb. links); das Strohdach soll erst nach 1700 durch ein Ziegeldach ersetzt worden sein.

Links im Bild das 500 Jahre alte Steinhaus in der Obergasse Nr. 97 (früher 6) in Leschkirch. Rechts im Bild die jüngere Schankstube. Foto: privat
Links im Bild das 500 Jahre alte Steinhaus in der Obergasse Nr. 97 (früher 6) in Leschkirch. Rechts im Bild die jüngere Schankstube. Foto: privat

Steine sind stumme Zeugen bewegter Geschichte. Bei aufmerksamem Lauschen erfährt man einiges aus guten und schlechten Tagen, über Menschen, die da ein- und ausgegangen sind. So erfahren wir erstmals, dass Catharina (5. Generation) den Demetrius Brekner – Urgroßvater Samuel von Brukenthals – heiratet. Und die Tochter ihres Bruders „Mächel-Schoster“ (Michael Schuster/Szutor), Catharina heiratet den Witwer Andreas Kießling, Schuhmachermeister und 1683, 1684 Stuhlrichter daselbst. Catharinas Bruder Michael ist in den Jahren 1692 bis 1703 Stuhlrichter. Und wiederum dessen Sohn, ebenfalls Michael Schuster (* 1678), Altersgenosse Michael Brekners (1676-1736; später von Brukenthal), ist in den Jahren der Kurutzenkriege 1704 bis 1711 Königsrichter.

Auch in den nächstfolgenden Generationen haben Männer dieser Familie Stuhls-, Gemeinde- oder Kirchenämter bekleidet und somit auch fast ununterbrochen das Privileg des steuerfreien Schankrechtes an den Jahrmärkten genossen (seit 1589 durfte Leschkirch zwei Jahrmärkte und einen Wochenmarkt abhalten). In der Schankstube (in Abb. rechts) versammelten sich nach dem Verlassen des Jahrmarktplatzes mehrere Männer der Nachbargemeinden beim Verzehren des eigenen „Eägesacksel“ (von zu Hause mitgebrachtes Essen) und der Hausherr schenkte ihnen Wein in die „Kentscher“ (Keramik-Weinkännchen). Drei der vier Wände der Schankstube haben je ein Fenster, durch das die Männer das Geschehen auf der Straße beobachten konnten, wer durch die Gassentür ein- und ausging, und die Pferde an den Wägen im Hof im Auge behalten konnten.

„Bei näherer Untersuchung 1982, konnten mindestens vier größere Renovierungsetappen festgestellt werden, nach denen der ursprünglich fränkische Bautypus jedoch nicht verloren gegangen ist. Unter dem Bretterfußboden des „Heoses“ (mittleres Zimmer/Küche) stieß man auf Ziegelmauerreste des einstigen Herdes und auf zwei übereinanderliegende Estriche, deren Oberflächen (Abnützungsbelage) Kalkbeimengung enthalten.“ (Die Woche, 9.04.1982)

Der Ehegatte der Erbin Katharina, geb. Schuster, (1867-1946; 13. Generation), Thomas Edling (1860-1936) ließ 1920 anlässlich der Renovierungsarbeiten aus dem Giebel das „ANNO 1505“ ausmeißeln, um den Beleg, er sei ein armer Landwirt und wohne in einem uralten Haus, zu löschen.

Michael Edling, Siebenbürgische Zeitung, 5. November, 2005
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