„Lichtvolle Sonne der Begeisterung“


200 Jahre seit der Geburt Franz Conrad, dem Freund und Mitstreiter Stephan Ludwig Roths

Franz Conrad gehört zu jenen führenden Persönlichkeiten der Siebenbürger Sachsen, die sich in den Jahren des gärenden Vormärz darüber Gedanken machten, wie ihr Volk wirtschaftlich und zahlenmäßig gestärkt werde könnte, um angesichts der sich stark vermehrenden Rumänen und der anwachsenden Magyarisierungstendenzen nicht zu erliegen.

Als Sohn des Leschkircher Königsrichters Samuel Gottlieb Conrad wurde Franz Conrad als fünftes von sechs Kindern am 4. September 1797 geboren. Am 17. Juni 1828 heiratete er die Kronstädterin Charlotte Plecker. Franz Conrad war nach Abschluß seiner Studien zuerst Gubernialkanzlist in Klausenburg, um dann mehrere Jahre als Hofagent in Wien tätig zu sein. Am 9. Juni 1843 kamen unter seinem Vorsitz 24 Männer, darunter auch Stephan Ludwig Roth, in Kronstadt zusammen und beschlossen, einen siebenbürgisch-sächsischen Landwirtschaftsverein zu gründen, als dessen Zweck die Statuten „die Verbesserungen des Landbaues auf dem Sachsenboden vorzüglich durch Ansiedlung tüchtiger Landwirte“ angaben. Das Statut erhielt die behördliche Genehmigung 1845.
Mittlerweile hatte Franz Conrad, wie aus einem Brief hervorgeht, der in der Hermannstädter „Transilvania“ (Beiblatt des „Siebenbürger Boten“) am 7. Januar 1845 veröffentlicht wurde, zu Weihnachten in Wien den deutschen Volkswirtschaftler Friedrich List kennengelernt, der in seinen Arbeiten und in Vorträgen dafür warb, einen Teil des damals nach Übersee gerichteten deutschen Auswanderungsstromes nach Südosteuropa umzulenken. Damit kam er den Vorhaben des „Siebenbürgisch-Sachsischen Landwirtschaftsvereins“ entgegen. Friedrich List hatte Conrad zugesagt, auch nach Siebenbürgen zu kommen, um für seinen Plan zu werben. Er ist zwar nicht gekommen, hat aber durch seine Ideen die Pläne Conrads und St. L. Roths beflügelt.

Am 18. März 1845 wandte sich Conrad im Namen mehrerer Freunde an Roth mit dem Vorschlag, nicht mehr Zeit vergehen zu lassen, bis die Ansiedlung von Deutschen auf amtlichem Wege anlaufe, da das sehr langwierig sein könnte. Zudem sei zu befürchten, daß die ungarischen Beamten im Gubernium und der Hofkanzlei in Wien den Plan vereiteln würden. Roth solle sich daher als Privatmann nach Deutschland begeben, dort Landwirte anwerben, die dann weitere Einwanderer nach sich ziehen würden. Durch die Kolonisation sollte nicht nur einer modernen Landwirtschaft zum Durchbruch verholfen, sondern gleichzeitig auch das siebenbürgische Deutschtum gestärkt werden. „Die Umstände machen ein baldiges Handeln dringend nötig“, so Conrad. „Wir haben auf den beiden letzten Landtagen (1837/38 und 1841/42) gesehen, wie sehnlich unsere Feinde (gemeint sind die führenden magyarischen Kreise) wünschen und bei unserer kleinen Zahl es auch hoffen, den sächsischen Namen verschwinden zu machen, wir haben gesehen, daß unsere Gegner, zu schwach uns selbst zu verschlingen, uns den Walachen als gute Beute vorgeworfen haben.“ Das „deutsche Vaterland“ habe bereits vernommen, daß die Sachsen sich Verstärkung zu holen gedächten. Roth sei der geeigneste Mann, dieses Vorhaben zu verwirklichen.
Stephan Ludwig Roth hat den Vorschlag angenommen und reiste 1845 nach Württemberg. Seinen in der Presse veröffentlichten Werbeaufrufen folgten in den Jahren 1845 bis 1848 mehr Schwaben, als man in Siebenbürgen vorerst unterbringen konnte. Außerdem befanden sich unter den Ansiedlern kaum Landwirte, die in Siebenbürgen gefragt waren. Sowohl Conrad als auch Roth hatten angenommen, die deutschen Siedler würden von den Sachsen mit offenen Armen empfangen werden, mußten aber enttäuscht feststellen, daß ein solches Entgegenkommen nicht vorhanden war.
Die gutgemeinte, aber nicht genügend vorbereitete Kolonisation mißlang folglich, von den 1848 eingewanderten Schwaben verblieben bloß etwa 1000 bis 1100 auf Sachsenboden, ein Teil von ihnen kehrte enttäuscht und verärgert nach Württemberg zurück, andere fanden sonstwo Unterkunft. Hinzu kam noch, daß ungarischerseits eine Hetzkampagne gegen die Kolonisation einsetzte, da eine Stärkung des Deutschtums den Magyarisierungsstrebungen widersprach. Mit leiserem Ton schloß sich auch die rumänische Presse der Kampagne an. Sogar die Regierung in Wien reagierte kritisch. vor allem die beiden Initiatoren Roth und Conrad wurden attackiert und zur Verantwortung gezogen.
Wir verfügen über den Briefwechsel zwischen den beiden Männern. Während Roth am 24. Februar 1846 sich noch hoffnungsvoll äußerte, glaubte er in seinem Schreiben vom 7. August, daß auch die Regierung die Einwanderung ablehne, daß „ihre Liebe zur Erhaltung der Sachsen kleiner sei, als der ungarische Einfluß“. „Dieses aberenttäuscht uns“, heißt es fortfahrend, „und wenn der Allerhöchste Hof es zuläßt, daß mein deutschgesinntes Tun unangenehm bei Hofe erscheint, so wird kein anderer Sachse sich entscheiden deutsch in seiner Gesinnung zeigen.“

Conrad setzte sich in Wien mannhaft für die Kolonisationssache ein. Er war gewissermaßen die Anlaufstation für die Schwaben, die auf der Donau über Wien nach Siebenbürgen weiterreisten. Bereits am 27. März 1846 schrieb er an Roth: „Du und ich werden vor der Hand nur Tadel ernten, hier nehme ich vieles auf mich und ertrage für die gute Sache viel.“ Am 25. September läßt er den Freund wissen: „Nur einen kleinen Beweis dafür, daß ich ohne Scheu auftrete, gebe ich Dir darin, daß Seine kaiserliche Hoheit, der Erzherzog Ludwig, sowie Seine Exellenz Baron Josika (Hofkanzler) aus meinem Munde wissen, daß ich Ursache und Wirkung mit Dir teile, daß ich auch in letzter Audienz dort und hier alles rekapituliert, wärmer mich für Dich ausgesprochen habe, als ich`s von meinem Freunde je erwartet.“
Doch bald sollte sich Roth dieser Rückendekkung nicht mehr erfreuen können, da Franz Conrad plötzlich am 15. Dezember 1846 in Wien verstarb. Tief erschüttert schrieb Roth am 20. Januar 1846 an Friedrich Soterius von Sachsenheim, einen Neffen von Franz Conrad, der bei der Siebenbürgischen Hofkanzlei in Wien im Dienst war: „Ich fühle mich durch Ihre Trauerbotschaft so zerdrückt und geknickt, daß ich mich nicht im Stande fühle, einen Beileidsbrief weder an die Witwe noch an die Waise (gemeint ist die Tochter Marie) zu richten. Es ist mir unmöglich. Was ich an dem Seligen verloren, können Sie, kann die Familie vielleicht erraten – ich aber allein kann es wissen, ich allein kann es fühlen. Vorne habe ich ein blutendes Herz und hinten einen nun bloßen Rücken. Er war mein Schild – die Brücke der Vermittlung für meine Lebenszwecke – die sanfte, lichtvolle Sonne meiner Begeisterung: an ihm knüpften sich die süßen Bilder der Vergangenheit, an ihn die blühenden Hoffnungen der Zukunft. Es ist vorbei. Sagen Sie der Witwe, was Sie wollen, sagen Sie der Marie, was Sie mögen, um selbige zu trösten, um sie aufrecht zu erhalten – ich kann es nicht, vermag es nicht. Ich kann nur mitweinen und nur mitklagen. Betrachte ich diesen Todesfall für mich, für Sie, für die Familie, für unsere Nation, für unseren Stand und unsere Kirche, für so viele Private und Korporationen, für das gesamte Vaterland – so kann ich keine Worte der Tröstung finden, da Tröstung nur Geringschätzung seines Wertes, seiner Verdienste, seiner Liebe und der ihm schuldigen Hochachtung erscheint… Versichern Sie die arme und so kleine Familie, daß ich so lange ich leben und atmen werde, wenn es ihr von Wert sein sollte, nie aufhören werde, mit meinem Herzen ihnen anzugehören…“
Diese anerkennenden Worte aus der Feder St. L. Roths bedürfen keiner Ergänzung. Bloß soviel sie noch erwähnt, daß er mit der Witwe des Verstorbenen, vor allem mit der Tochter Marie,einen anteilnehmenden Briefverkehr unterhielt.

Michal Kroner, Siebenbürgische Zeitung, 30. September 1997, S. 7

 

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