Nur der Miller äm Gruewen war dagegen


Zur Geschichte der abgetragenen Burg in Leschkirch von Michael Edling

Kaum ein Menschenalter ist vergangen, seit die Leschkircher Burg abgetragen worden ist, und schon ist es in Vergessenheit geraten, „dass Herz der Gemeinde“ wie „Miller äm Gruewen“ die stattliche Wehranlage nannte. Er soll auch der einzige gewesen sein, der im Presbyterium gegen Verkauf und Abtragung gestimmt hat – aber was zählt schon eine Stimme. Mitten im Dorf, umgeben von Bauernhäusern, deren fränkische Bauart man heute noch bewunderen kann, stand bis zur Jahrhundertwende die schöne Burg, die Jahrhunderte hindurch ihre fleissigen Erbauer vor Türken- und Tatarenhorden aber auch vor der Wut der eigenen Landesfürsten schützte.

„De no Kirch“

Ende des 12. Jahrhunderts mag der erste steinerne Kultbau, angeblich eine romanische Kirche entstanden sein. Sie wurde 1807 abgetragen. Aller Wahrscheinlichkeit nach war dies der zweite Kultbau in diesem Ort, der erste vermutlich ein Holzbau, dürfte dem Mongolensturm zum Opfer gefallen sein. Eine Bestätigung hierfür bringen auch die urkundlichen Benennungen aus den Jahren 1263 bzw. 1349: „Nogrech“, d. i. „de no Kirch“ (rum. Nocrich und „Leschkirch“ (Ijes = slaw. Sumpf oder Wald). Wenn wir die Reliefform des Leschkircher Weichbildes eingehend betrachten, so stellen wir fest, dass Kirche und Burg auf flacher Talsole gestanden haben, also mitten im einstigen Überschwemmungsgebiet des „Schulbaches“ und nicht auf einem Bergrückenausläufer wie andernorts.

Der Zweck war abzuschrecken

Der Bau der Wehranlagen beginnt Anfang des 16. Jahrhunderts. Dies bezeugen die wenigen Rechnungen der Jahre 1494, 1507, 1509 und 1520, die bestätigen, dass die Hermannstädter Provinz der Sieben Stühle Leschkirch mit Geld un Kalk unterstützt. Es kann mit Bestimmtheit angenommen werden, dass in dieser Zeit der Kirche ein westlicher Turm mit Wehrgang angebaut und die Fenster der Kirche zu schmalen Schiessscharten zugemauert wurden. Ebenfalls in dieser Bauetappe entsteht der erste Mauerring, der ein unregelmässiges Fünfeck bildete, ungefähr den heutigen Schul-Rathausgrund umfasste; an jeder Ecke flankiert von je einem Wehrturm, von denen heute der Beamtenturm und der Türkenturm noch stehen. Den halbrunden Turm und den Schulturm kennen wir von Bildern und nur vom Torturm ist nichts bekannt, jedoch bautechnisch beurteilt, muss es ihn gegeben haben. Lagerräume für Fruchtkästen und Geräte werden an die Nord- und Westmauer angebaut, an die Ost- und Südmauer Wehrgänge mit Verbindungen zu den Wehrtürmen. Eine dritte Bauetappe fällt in die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts und umfasst die Vorburg (Zwinger), die mit dem kleinen Turm und Folterturm ein Trapez bilden, das sich leicht als der heutige Kichengrunnd identifizieren lässt. Der Bau war als passive Verteidigungsanlage gedacht, hinter deren Mauern und Türmen mit den vielen Schiessscharten der Feind eine zahlreiche Mannschaft vermuten sollte – in Wirklichkeit waren es höchstens 50 Mann (im 16. und 17. Jahrhundert hatte Lechkirch nie mehr als 41 Wirte). Da war der vom Schulgraben gespeiste Sumpf rings um die Burg sehr zum Vorteil der Verteidiger und wurde auch als solcher bis ans Ende des 18. Jahrhunderts erhalten und „kultiviert“. Nach Abschluss der 3. Bauetappe entsprach die Leschkircher Burg vollkommen den damaligen Ansprüchen: eine über 2400 Quadratmeter grosse geschützte Fläche, mit 320 Quadratmeter zur Gänze unterkellerte Wohnraumfläche, Schulräume im Schulturm, Wohnungen für Stuhlbeamte im Beamtenturm und für Pfarrer und Schulmeister im Schulturm, Lagerräume für Fruchtkästen und Geräte, Brunnen, Mühle mit Göpelantrieb, sodass für Menschen und Vieh Vorräte gespeichert werden konnten, um längeren Belagerungen standhalten zu können. Auch ein „Gefängnis“ fehlte nicht; noch bei der Abtragung der Burg 1900 konnte man im Folterturm den achteckigen Eichenpfahl sehen, an den die Verräter und Gefangenen angebunden wurden.

Wie sieht es heute aus?

Nach dem Einsturz des Glockenturms 1798, beschloss die Altschaft den Neubau des Turmes und die Renovierung der Kirche. Jedoch schon nach zwei Jahren entschied man sich dann doch eine neue Kirche zu bauen. Pläne und Kostenvoranschlag (in Höhe von 3776 Gulden) entwarf der zuständige Kreisingenieur Karl Steinbach aus Fogarasch. Die Bauzeit erstreckte sich über die Jahre 1803 – 1806.
Es ist eine Saalkirche in klassizistischem Stil, (…) Der Turm hat einen Grundriss von 6 x 6 Meter und eine Höhe von über 43 Meter, sein Spitzdach ist mit glasierten Dachziegeln musterförmig gedeckt. Das verwendete Material ist Sandsteinmauerwerk im Fundament, sonst reine Ziegeln. Die alte Kirche wird nach Beendigung der neuen abgetragen. In der Westmauer wird eine neue Einfahrt und das sogenannte Pfarrertürchen gebrochen, und die Wohnräume werden durch Errichtung von Fenstern und Schornsteinen für administrative Zwecke hergerichtet. 1895 und 1897 wird der Verkauf des Burghofes, samt dem Material der Ringmauer, der Wohnräume und zweier Wehrtürme beschlossen und 1900 – 1901 durchgeführt. Die Begründung: die Gebäude seien baufällig und die Erhaltung zwecklos. An deren Stelle wurde in den Jahre 1901 – 1903 das Gemeindehaus (Rathaus) gebaut – das heutige Schulgebäude.

 

von Michael Edling in Die Woche Nr. 462, Hermannstadt, 22. Oktober 1976

 
 

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