Samuel von Brukenthal


Kein anderer Siebenbürger Sachse hat vor und nach Samuel von Brukenthal ein so hohes politisches Amt wie er bekleidet. Ihm wurde von der Kaiserin Maria Theresia das Amt des siebenbürgischen Gouverneurs anvertraut. Das Gubernium war die dem österreichischen Kaiser unterstellte Regierung des Großfürstentums Siebenbürgen und ihr Leiter im modernen Sprachgebrauch Ministerpräsident.

Samuel von Brukenthal ist jedoch nicht in erster Linie dank seines politischen Amtes ins Bewußtsein seiner Landsleute gedrungen und darüber hinaus zu einem Begriff geworden, sondern durch die Stiftung eines Museums und einer Bibliothek in Hermannstadt, die auch heute seinen Namen tragen.

Brukenthal wurde als Sohn des Königsrichters des Stuhls Leschkirch, Michael Brekner, geboren, der für seine kaiserlichen Dienste und Treue mit dem Namen „von Brukenthal“ in den Adelsstand erhoben worden war. Nach dem Besuch der Leschkircher Dorfschule und des Gymnasiums von Hermannstadt studierte der Sohn Samuel von 1743 bis 1745 an den Universitäten von Halle und Jena die Rechtswissenschaft. In die Heimat zurückgekehrt, wurde er beim Hermannstädter Magistrat als Gerichtsschreiber-Adjunkt angestellt, nachdem er Catharina Sofia von Klocknern geheiratet hatte. Deren Familie gehörte zu den reichsten der Stadt, und sie stellte dem jungvermählten Ehepaar auf dem Großen Ring ein Haus zur Verfügung.

Im Dienste des Magistrats rückte Brukenthal 1749 in die Stelle des ersten Gerichtsschreibers und 1751 in die des Vicenotärs auf. Er strebte aber nach Höherem. 1753 begab er sich nach Wien und bewarb sich um eine Stelle in der siebenbürgischen Landesverwaltung. Einflussreiche Befürworter waren ihm behilflich, eine Audienz bei der Kaiserin zu erwirken. Er muß dabei einen so guten Eindruck hinterlassen haben, daß ihm hinfort die Gunst der Kaiserin gesichert war und damit eine steile Karriere bevorstand, die er durch berufliche Kompetenz bekräftigte.

Dieser Aufstieg ist um so beachtenswerter, als Brukenthal nicht, wie viele seiner Zeitgenossen, um Karriere zu machen, zu dem von den Habsburgern geförderten Katholizismus übertrat. Er hielt an seinem Wahlspruch „fidem genusque servabo“ fest, was wie folgt zu verstehen ist, „Meinem (evangelischen) Glauben und meinem Volk bleibe ich treu.“  Zunächst wurde Brukenthal zum Gubernialsekretär ernannt. Er war der erste Siebenbürger Sachse, dem dieses Amt zugesprochen wurde. Er stieg rasch die Sprossen der Ämterhierarchie hoch: 1762 Provinzialkanzler, 1765 Leiter der Hofkanzlei in Wien, 1774 bevollmächtigter Kommissar für die vakante Gubernatorstelle und 1777 Gouverneur. Bereits 1760 war er in den Freiherrnstand erhoben und ihm das Baronat erteilt worden. 1765 erhielt er den St. Stephans-Orden und 1767 die Geheimratswürde mit den Titel Exzellenz.

Als Landesbeamter hat Brukenthal vor allem an der Steuer-, Justitz- und Urbarialreform und bei der Aufstellung von Grenzregimentern in Siebenbürgen gestaltend mitgearbeitet. Es ging dabei vor allem um die Angleichung der siebenbürgischen Verhältnisse an die der Gesamtmonarchie. Brukenthal erntete Anerkennung vor allem für die von ihm eingebrachten Initiativen zur Steuerreform. Er erwies sich zudem als kenntnisreicher Berater in siebenbürgischen Angelegenheiten, was ihm immer wieder den direkten Zugang zur Kaiserin ermöglichte. Angesichts dieses Ansehens ist er auf dem Maria-Theresia-Reiterstandbild in Wien unter den die Kaiserin am Sockel umgebenden Paladinen verewigt worden.

Brukenthal hat sich auch der Anliegen seiner sächsischen Landsleute angenommen, deren privilegierter Stand als freie Stadtbürger und Bauern mit selbstverwaltetem Territorium von der österreichischen Regierungsbürokratie und dem ungarischen Adel in Frage gestellt wurde. Er konnte, abgesehen von einigen steuerlichen Belastungen, diese Angriffe abwehren. Das änderte sich unter Kaiser Joseph II., der die mittelalterliche Ständeverfassung Siebenbürgens mit seinen territorialen Selbstverwaltungen und Privilegien auflöste und einen nach rationalen Vorstellungen zentralistischen Staat mit einem aufgeklärten Monarchen einzurichten versuchte. Das ging Brukenthal, der am historisch Gewachsenen festhielt, zu weit und er fand keine gemeinsame Sprache mit dem Kaiser, was schließlich 1787 zu seiner Entlassung führte, wobei auch seine Pensionsansprüche stark gekürzt wurden. Der Ruheständler hatte letztlich die Genugtuung, daß Joseph II. auf dem Totenbett sein Reformwerk als gescheitert betrachtete und die meisten seiner Reformen, außer dem Toleranzpatent und der Aufhebung der Leibeigenschaft, widerrief. In Siebenbürgen wurde die alte Verfassung wieder hergestellt, die Sachsen verloren allerdings das exklusive Wohnrecht in den Städten.

Brukenthal war auch wirtschaftlich äußerst erfolgreich. Er konnte das von den Klocknern ererbte Vermögen beträchtlich vermehren. Den Maierhof vor den Mauern Hermannstadts erweiterte er durch Ankäufe zu einem zusammenhängenden Gut mit musterhafter Bestellung. Aus dem Fogarascher Fiskaldominium kaufte er fünf Gutsdörfer und in der Gemeinde Freck mehrere Höfe, wo er ein Schloß mit Park als Sommerresidenz errichten ließ. In Hermannstadt wurde in den Jahren 1778 bis 1788 ein imposantes barockes Palais gebaut, das bis heute zu den repräsentativsten Gebäuden gehört.

Verdienste hat sich Brukenthal um die Förderung der Agrikultur erworben, indem er durch landwirtschaftliche Neuerungen, durch Einführung neuer Kulturen auf seinen Gütern und in seinen Gärten beispielgebend wirkte. Seine Äcker gehörten zu den ersten, auf denen Kartoffeln und Rotklee angebaut wurde. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Obst- und Gemüsebau. Er ließ sich dafür viele neue Setzlinge liefern. In Treibhäusern züchtete er Ananas, Orangen, Zitrusfrüchte, exotische Blumen und in seinen Parkanlagen Ziersträucher. Hochgestellte Persönlichkeiten bestellten Pferde aus seiner Zucht.

Das Ehepaar Brukenthal hat mehrere Jahre in Wien gelebt und in hohen Gesellschaftskreisen verkehrt. Es hatte Gelegenheit, das kulturelle und künstlerische Angebot der kaiserlichen Metropole zu genießen. Dieses prunkvolle Angebot sowie die kunstvoll gestalteten Paläste und Gärten der adligen Residenzen wurden für Baron Brukenthal Vorbild bei die Gestaltung eigener Festlichkeiten, seines Palastes und seiner Gärten. Dem Beispiel königlicher und adliger Häuser folgend, wurde er ein leidenschaftlicher Sammler von Gemälden, Kupferstichen, Büchern, Münzen und Medaillen, später auch von Mineralien, wobei er sich von Künstlern und Kustoden beraten ließ und ihnen auch die Vermittlung von Ankäufen anvertraute. Diese Sammlungen wurden nach der Ernennung Brukenthals zum Gubernator in Kisten verpackt nach Hermannstadt transportiert. Nachdem sein neues Palais auf dem Großen Ring fertiggestellt war, wurde es zu einem Kultur- und Kunstzentrum, in dem die Sammlungen untergebracht waren, sich Freunde und Geladene zu Gesprächen und Lesungen, zur Besichtigung der Gemäldegalerie, zu Musikdarbietungen einfanden. Bereits 1790 hieß es in einer Beschreibung von Hermannstadt, daß Seine Exzellenz Freiherr von Brukenthal eine „vortreffliche Gemäldesammlung“ von verschiedenen Meistern aus den „berühmtesten Schulen“ besitze, welche in 13 Zimmern des zweiten Stockwerkes seines Palastes untergebracht sei und von erlesenen Gästen und Kennern besucht werden könne.

Um den geistig, wissenschaftlich und künstlerisch interessierten Staatsmann sammelte sich ein Kreis von Gelehrten und Kunstliebhabern zu wissenschaftlich-geistigen Gesprächen in seinem Lesekabinett oder in der Bibliothek, wo ihnen die neuesten Werke der deutschen und französischen Aufklärung zur Verfügung standen. Sie setzten sich auf kulturellem Gebiet für die Ideen der Aufklärung und des Rationalismus ein.

Der Baron hat auch dem Musikleben von Hermannstadt belebende Impulse gegeben. Er dürfte in Hermannstadt die Kammermusik eingeführt haben. Bereits für 1774 ist uns bezeugt, daß in seinem Hause zweimal wöchentlich ein musikalischer Abend, das so genannte „Collegium Musicum“, stattfand. Musik wurde sodann natürlich bei Empfängen und bei den Tafeln geboten, und bei Bällen zum Tanz aufgespielt. Auch in den Sommerhäusern verzichtete man nicht auf Musik. Brukenthal hat auch die Aufführung von Oratorien und Orchesterwerken gefördert.

In dem Palais auf dem Großen Ring fanden sich fast täglich Tischgäste ein. Es war Brauch hochgestellter Herrschaften, freie Tafel zu bieten, und sie wurde von vielen in Anspruch genommen.

Dem Ehepaar Brukenthal war keine Nachkommenschaft beschert. Die einzige Tochter verstarb bereits im vierten Lebensjahr. Die Baronin folgte 1782. Danach wurde es um den Hausherrn still. Er widmete sich als Pensionär der Ordnung seiner Sammlungen, die er gelegentlich bereicherte. Bei seinem Tode umfaßte sie 1118 Gemälde aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, etwa 400 Kupferstiche, fast 16.000 Bücher, 76 Wiegendrucke, etwa 200 Handschriften, rund 17500 Münzen und etwa 2500 Stück der wertvollsten Mineralien.

Um seinen Besitz und seine Sammlungen als Ganzes zu erhalten, vermachte er testamentarisch sein ganzes Vermögen einem Universalerben. Er verfügte ferner, die Sammlungen der Öffentlichkeit in seinem Palais zugänglich zu machen und stiftete zu deren Erhalt, Vermehrung und Betrieb eine ansehnliche Summe. Für den Fall des Aussterbens der Familie Brukenthal im Mannesstamme machte das Testament das evangelisch-deutsche Gymnasium von Hermannstadt zum Alleinerben.

Baron von Brukenthal schloß am 3. April 1803 für immer die Augen und wurde in der Stadtpfarrkirche beigesetzt.

Das Brukenthalmuseum wurde 1817 feierlich eröffnet. Es war das erste Museum auf dem heutigen Gebiete Rumäniens. Die Sammlungen blieben vorerst im Besitz der Brukenthalerben. Als der letzte männliche Universalerbe Baron Hermann von Brukenthal 1872 starb, gelangten die Sammlungen samt Palais nach einem über mehrere Jahre hinweg von einer ungarischen Seitenlinie betriebenen Prozeß in den Besitz des evangelischen Hermannstädter Gymnasiums bzw. der evangelischen Kirche als Träger der Schulen.

Das Museum und die Bibliothek, die ihren Bestand laufend vermehrten, unter anderem mit einer siebenbürgischen Abteilung, wurde im 20. Jahrhundert zu einer Institution von europäischem Rang und zur wichtigsten wissenschaftlichen Kulturanstalt der Siebenbürger Sachsen.

Im Jahre 1948 wurden alle Sammlungen und das Palais von den kommunistischen Behörden verstaatlicht, wobei unter Verletzung der testamentarischen Verfügung Teile der Sammlung an andere Institutionen abgegeben wurden. Gleichzeitig gab es Bestrebungen, den deutschen Charakter und den Namen der Institution zu kaschieren.

Die nach der politischen Wende von 1989 neugegründete Brukenthalstiftung der evangelischen Kirche hat 2002 als Rechtsnachfolgerin des Erbes die Rückgabe des Museums gefordert. Es ist bisher noch keine Entscheidung gefallen. Die entfremdeten Museumsstücke und Bücher sollen an ihren Ursprungsort zurückkehren. In Hermannstadt trägt das deutschsprachige Gymnasium auf dem Huetpletz wieder den Namen Brukenthal.

Im Jahre 2003 gedachten die Sachsen in Siebenbürgen, in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich des bedeutenden Staatsmannes und Museumsgründers. Außer in der Presse erschienen mehrere Veröffentlichungen, die das Wirken, Erbe und Vermächtnis Brukenthals würdigen.

Lit.: Hermann A. Hienz: Beiträge zum Schriftsteller-Lexikon der Siebenbürger Sachsen. Folge 11, 1985, S. 205-214. Hier sind insgesamt 162 Titel von Arbeiten genannt, die bis 1985 erschienen sind und sich mit Leben und Werk von Samuel von Brukenthal beschäftigen. – Barocke Sammellust. Die Sammlung des Baron Samuel von Brukenthal, München 2003. (Ausstellungskatalog). – Das Brukenthalmuseum. Die Galerie der bildenden Künste, Bukarest 1964. – Das Baron Brukenthal´sche Museum. Festschrift zur Erinnerung an den 200. Geburtstag seines Stifters Samuel Baron von Brukenthal, Hermannstadt, 1921. – Michael Csaki: Eine siebenbürgisch-sächsische Stifterfamilie, in: Ostland, Hermannstadt, Bd. I, 1919. – Carl Göllner: Samuel von Brukenthal. Sein Leben und Werk in Wort und Bild. Bukarest 1977. – H. Herbert (Bearbeiter): Briefe an den Freiherrn Samuel von Brukenthal, in: Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, Hermannstadt, Bd. 21, 1903. – Gudrun Liane Ittu: Geschichte des Brukenthalmuseums, Hermannstadt 2003. – Michael Kroner: Samuel von Brukenthal. Staatsmann, Sammler, Mäzen und Museumsgründer. 200 Jahre seit seinem Tode, Nürnberg 2003. – Charlotte Lapping: Die Sammlung des Freiherrn Samuel von Brukenthal, Kronstadt 2004. – V. Jugăreanu: Biblioteca Muzeului Brukenthal, Bukarest 1957. – Georg Adolf Schuller: Samuel von Brukenthal, Bd. 1-2, München 1967. – Doina Udrescu: Arta germana din Transilvania in colectiile Muzeului Brukenthal din Sibiu. (Die deutsche Kunst aus Siebenbürgen in den Sammlungen des Brukenthalmuseums), Hermannstadt 2003.

Bild: Kupferstich von J. E. Mansfeld (1779)

 

 

Text von Michael Kroner auf ostdeutsche-biographie.de (Stand 1. August 2007).
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