Vielfältig in Leschkirch gewirkt, Emil Brestowsky


Mit dem Tod am 6. Oktober 1961 fand der sein Lebtag unruhige, stets suchende Arzt Emil Bres­towsky seine innere Ruhe. Unter großem Geleit und dem von seinem Freund, dem Stadtpfarrer und nachmaligen Bischof  Dr. Albert Klein, gehal­tenen Trauergottesdienst, ist Brestowsky auf dem evangelischen Friedhof zu Mühlbach beige­setzt worden.
Emil Andreas Gustav Brestowsky, ältestes der vier Kinder des Kaufmanns Karl Christlan Bres­towsky und der Luise Mathilde, geborene Schus­ter, wurde am 2. April 1894 in Bistritz geboren, wo er auch die Hauptvolksschule besuchte. Nach dem Gymnasiumsbesuch in Schäßburg folgte 1913 das Studium der Medizin in Klausenburg.
1914 wurde Brestowsky in den Krieg eingezogen und 1917 verwundet entlassen, wonach er sein Studium in Budapest wieder aufnahm. 1920 er­folgte die Verleihung des Doktorgrades für Allge­meinmedizin und Chirurgie durch die Klausen­burger Universität und nach weiteren Studien in Wien erwarb der Arzt die Zulassung zur „selbst­ ständigen Führung einer Hals-Nasen-Ohren-Ab­teilung“.
Neben der Ausübung seines Berufes als Kreis­arztes in Reußmarkt, dann ab 1. Januar 1923 in Leschkirch, nahm er ein weiteres Studium auf, das er mit der Erlangung des Doktorgrades für Zahnmedizin abschloss.
Die schon 1921 mit der jüngsten Tochter des Leschkircher Ortsnotärs Johann Buchholzer, (Irene) Grete, geschlossenen Ehe, wurde mit zwei Kindern gesegnet.
Weitere berufliche Stationen in Brestowskys unruhigen Leben waren: 1930-1936 Zahnarzt und kurze Zeit HNO-Arzt in Hermannstadt, zwei Jahre in Temeschburg, 1938-1957 in Mühlbach, danach bis zu seinem frühen Tode in Lupeni.
Anlässlich einer Studienreise nach Deutsch­land – Mitte der 1930er Jahre – bildete sich Bres­towsky fort und wurde Vertreter der vom deut­schen Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) 1789 eingeführten Homöopathie.

Es Liegt uns daran, Emil Brestowskys außerbe­rufliche Zeit in Leschkirch näher zu beleuchten.
An seinen zahlreichen Studienorten hatte der für alles sehr aufgeschlossene Student vieles gese­hen, erfragt und erfahren. So war es ihm ein Leichtes, die “abseits vom Weltgeschehen” le­benden Leschkircher Kreisbeamten  zu geistig­kulturellen Gesprächen, den so genannten „Samstag-Leseabenden“, zu laden. Diese „aka­demische Gesprächsrunde” fand reihum bei den in Leschkirch wohnenden Beamten statt, und jeder der Teilnehmer behandelte dann ein The­ma seines Berufslebens (rumänisches Recht und „Rechtsanwendung“,  Wirtschaftslage im neuen Staatsverband) oder der schöngeistigen Litera­tur etc. Der Runde gehörten an: Dr. med. Emil Brestowsky mit Gattin Grete, Dr. jur. Andreas Thudt mit Gattin Elise, Dr. jur. Konrad Brandsch mit Gattin Josefine, Notär Michael Wonner mit Gattin Susanne. Oft waren auch auswärtige Gäs­te anwesend: der Schriftsteller und Komponist Baron Wolf von Aichelburg, Herta Weber u.a.
Das am meisten behandelte Thema war aller­dings das der Anthroposophie. Die nach 1830 in den deutschsprachigen Ländern stattgefundene industrielle Revolution hatte zur Abwanderung der Landbevölkerung in die Städte und dadurch zum Verlust von “Heimat” sowie zum Verfall der bis dahin,” geschlossenen christlichen Weltsicht geführt und lenkte viele zu anderen Weltan­schauungen (Sozialisten, Antimodernisten etc)” hin. Der Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner (1861-1925), hatte nicht nur in Mitteleu­ropa Anhänger gefunden, sondern schon 1884 einen Aufsatz in einer siebenbürgischen Zeitschrift veröffentlicht. Er war auch im Dezember 1889 nach   Hermannstadt gereist und hatte durch einige Vorträge Anhänger erworben.
ln dem, ”Sonnenheim”, der umgebauten in ehe­maligen Ziegelei der Eltern der Gattin, hatte das Ehepaar Brestowsky die Zimmerwände nach der “Farbenlehre” Goethes in verschiedenen Farben ausgemalt. Die Zimmereinrichtung war im Stil des Goetheanums in Dornbach (Schweiz) gestal­tet: Möbel in gebrochenen Linien standen  hier. Für die Kinder wurden anthroposophische Kin­derbücher gekauft. Überliefert ist auch eine hei­tere Anekdote aus Brestowskys Zahnarztpraxis: Er soll einer Patientin erzählt  haben, dass er “im anderen Leben” eine Frau gewesen sei, worauf die Frau verwundert gefragt habe, ob er auch Kinder gehabt hätte?
Sowohl in Leschkirch, als auch danach in Mühlbach, fertigte Brestowsky (Silber) Schmuckstücke und kleine Gebrauchsgegenstände (Aschenbecher, Näpfe etc.) im Stil der Anthropo­sophie an. In den Wonners und Herta Weber hatte Brestowsky überzeugte Anthroposophen gefunden. Wolf von Aichelburg soll sich ebenfalls mit anthroposphischem Gedankengut auseinandergesetzt haben. Die Ehegatten Thudt nahmen eine eher ablehnende Haltung ein. Auch die Astronomie beschäftigte Brestowsky; in einem Zimmer der Wohnung hing über dem Sofa eine große Sternkarte.
Brestowskys unstetes Leben – häufiger Wech­sel des Berufsortes, Auseinandersetzung mit neu auftauchenden Themen – hatte seine Ehe einer Zerreißprobe ausgesetzt und führte 1935 schließlich zur Trennung, von der auch die Kin­der nicht verschont blieben.
Die neuen Machthaber, die keine andere Le­bensauffassung als die eigene kommunistische Ideologie akzeptierten, verfolgten aufs grau­samste eventuelle Abtrünnige. Auch Brestowsky wurde verdächtigt und im Januar 1954 in politi­sche Haft genommen (bis Oktober 1955), die ent­scheidend zu seinem frühen Tode beigetragen hat.


von Michael Edling

 

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