Wunderbotschaft


Eingravierter Ziegelstein bei Krivoy Rog in der Ukraine gefunden!

Wunder gibt es immer wieder, und nicht nur bei Katja Ebstein im Schlager sondern auch so geschehen Anfang April, als ich einen Anruf von G. Müller erhielt. Er hatte im Internet eine interessante Sache entdeckt. Auf der Suche nach alten Fliesen, entdeckte ein Sammler in der Ukraine, in einem verlassenen Gebäude in der Nähe der abgebildeten Kirche, zwei Ziegelsteine mit eingravierten Namen. In einem der Ziegelsteine kann man deutlich „Fröhlich Maria, Leschkirch“ lesen. In dem anderen ist der Name „Vera“ mit kyrillischen Buchstaben eingraviert.

Leider ist der Artikel im Internet in Russisch geschrieben und wir haben kein Wort verstanden.

Zuerst musste ich aber Gewissheit haben, ob das überhaupt meine Mutter war. Ganz aufgeregt rief ich sie an. Natürlich war sie es. Als Deportierte hatte sie dort in der Nähe in einer Ziegelfabrik gearbeitet und zu dem Zeitpunkt war sie auch die einzige Fröhlich Maria aus Leschkirch dort. Aber dass sie den Stein beschrieben hatte, daran konnte sie sich im ersten Augenblick nicht mehr erinnern. Mit der Zeit kamen dann immer mehr Details aus der Erinnerung zurück.

Sie haben in der Zeit zusammen mit russischen Frauen gearbeitet. Es waren viele „Veras“ darunter. Und diese Vera hat ihr anhand ihres Namens die russischen Buchstaben erklärt. Meine Mutter hat ihr dann ebenfalls anhand des Namens unsere Schreibweise gezeigt, hat dann noch „Leschkirch“ hinzu geschrieben, weil es eben mehrere Buchstaben waren.

Der Finder der beiden Ziegelsteine hat richtig festgestellt, dass die Namen schon bei der Herstellung, also vor dem Brennen im Ofen geschrieben wurden. Und aufgrund des „ö“ hat er zu Recht vermutet, dass der Name aus dem Deutschen kommen muss.

Eine Google-Suche im Internet nach „Leschkirch“ hat aber keinen Ort in Deutschland mit diesem Namen angezeigt und war er staunt, als er nach längerem Suchen, den Ort in Transsylvanien/Rumänien fand. Nun überlegte er, welche Verbindung es zwischen Transsylvanien und Ukraine geben könnte und folgerte richtig, dass die Gegend nur während der beiden Weltkriege mit der westlichen Welt verbunden war.

Er fragt sich, wie die beiden Frauen (eine deutsche Maria und eine russische Vera) zueinander standen, ob sie gemeinsam in der Ziegelei gearbeitet haben und warum. Wenn die russische Frau eine Aufseherin gewesen wäre, dann hätte sie wohl kaum auch ihren Namen eingraviert.

„Woher sind sie, Maria?“, bittet er um Hinweise. Es haben sich einige Leute bei ihm gemeldet, die die Geschichte recht interessant fanden und ihm die Daumen drücken wollen, aber niemand hatte bis jetzt eine Erklärung dafür. Bis jetzt!

Wir haben Kontakt mit ihm aufgenommen und warten voller Spannung auf seine Reaktion.

(Fortsetzung der Geschichte)

Nachdem wir im Internet über die Anzeige gestolpert waren, dass ein Ziegelstein mit der Eingravierung „Fröhlich Maria, Leschkirch“ in der Ukraine gefunden wurde, haben wir gleich Kontakt mit Valery, dem Entdecker des Steins, aufgenommen.

Die Korrespondenz lief anfangs in russischer Sprache über eine weißrussische Bekannte und dauerte somit immer sehr lange, bis unsere Nachrichten in der Ukraine ankamen und wir Antwort erhielten.

Valery konnte es nicht fassen, dass sich überhaupt jemand auf seinen Aufruf gemeldet hatte und dass dann noch die Person gefunden wurde, die den Namen vor 60 Jahren eingraviert hatte – meine Mutter Maria Edling, geb. Fröhlich. Er war sehr neugierig und wollte wissen, wie es damals war, wie Maria nach Krivoy Rog kam, was und wo sie gearbeitet hatte.

Es hat sich zwischen uns ein reger Schriftverkehr entwickelt, zum Schluss dann doch in Englisch, da es so schneller ging als über eine dritte Person in Russisch. Valery hatte auch gleich angeboten, den Stein aus der Mauer zu entfernen und ihn uns zuzuschicken, da er in der Mauer sowieso dem Verfall und der Vergessenheit preisgegeben wäre. Erst hatten wir Bedenken und meine Mutter wollte ihn nicht haben, wusste auch nicht wohin damit. Letztendlich haben wir uns aber doch zu diesem Schritt entschlossen. Valery machte sich sofort voller Eifer an die Tat, holte den Stein aus der Wand und dokumentierte dies für uns mit mehreren Fotos. Und da gab es gleich eine weitere große Überraschung: auf der breiten Seite des Ziegelsteins stand zusätzlich der Name „Fröhlich Sofia Leschkirch“.

Der Schluss lag auch für Valery nahe, dass es sich bei Sofia um die Schwester meiner Mutter handelte.

In der Wand weiter oben entdeckte er noch einen Stein mit der Aufschrift „Fröhlich Sofia“, jedoch war dieser beschädigt und auch an einer schwierigen, schwer erreichbaren Stelle. Dieser Stein ist in der Mauerruine geblieben.

Unser Stein war nun also aus der Mauer entfernt und sollte uns zugeschickt werden – aber wie würde das Paket den Zoll passieren? Was, wenn Beamte dort misstrauisch und den Stein womöglich beschlagnahmen oder zertrümmern würden? Das war dann allen doch zu riskant und so haben wir nach anderen Möglichkeiten gesucht.

Wieder kam unsere weißrussische Übersetzerin zu Hilfe. Sie hat nämlich einen Bekannten, der in Kiev, in der Ukraine, arbeitet. Mit diesem hat Valery Kontakt aufgenommen und den Stein eigenhändig aus Krivoy Rog in die ukrainische Hauptstadt gebracht.

Der erste Schritt war getan. Nun mussten wir warten, bis jemand aus Kiev nach Deutschland kam. Das war Ende September der Fall. Dieser Bekannte brachte den 3,5 kg schweren Ziegelstein im Handgepäck von Kiev nach Heidelberg, wo er beruflich an einem Kongress teilnahm. Ein weiterer Kongressteilnehmer aus Moskau brachte den Stein anschließend von Heidelberg nach Frankfurt.

Und so ist der Stein nun nach einer langen Reise und durch den persönlichen Einsatz vieler unbekannter Menschen aus der Ukraine, aus Weißrussland und Russland in Deutschland angekommen. Alle Beteiligten haben voller Interesse mitgewirkt und zum Happy End dieser unglaublichen Geschichte beigetragen.

Maria und Sofia haben vor über 60 Jahren mit dem Eingravieren ihrer Namen Spuren in der Geschichte hinterlassen, die nun unvorstellbare Wellen in vier Ländern geschlagen und damit viele Menschen begeistert haben!

 

Margarete Krauss, Oberursel

Foto oben: Maria Fröhlich (Mimo) als Kind,  zweite von rechts. Sie wurde  als 16- jährige zur Zwangsarbeit nach Russland deportiert.

© Copyright 2011 leschkirch nocrich im dialog - Impressum