Der Parde-Michel kommt


Auf dem Leschkircher Friedhof steht auf einem der Gräber ein besonders großer Grabstein. Hier soll vor vielen Jahren der Parde-Michel bestattet sein. Zu Lebzeiten war der Mann ein nichtsnutziger Mensch, den die Leschkircher – müde seines Treibens – eines Tages faßten und zu Tode verurteilten. Nach seiner Hinrichtung und Beerdigung hofften die Ortsbewohner, endlich Ruhe vor ihm zu haben. Doch der greise Michel entstieg schon in der ersten Nacht dem Grab. Sobald es Mitternacht schlug, setzte er sich auf ein brennendes Wagenrad und kam vom Friedhof die Gasse in die Gemeinde heruntergefahren. Er erschien an den Fenstern derjenigen, die ihn verurteilt hatten und schrie: „O weh, mein Blut!“ Klopfte er an, dann rief er laut: „Meine Leber, meine Lunge, du hast sie gefressen!“
Auch trieb er Spott in den Häusern, wo Tote aufgebahrt waren. War die Geisterstunde vorüber, fuhr er zurück zum Friedhof. So erschien er Nacht für Nacht. Einmal aber faßten ihn mehrere mutige Männer und begruben ihn noch einmal. Und das taten sie mehrere Male, da Parde-Michel immer wieder dem Grab entwich und die Menschen erschreckte. Als er sogar am Tag erschien und seinen Unfug trieb, schlugen ihm die Männer bei der Bestattung einen Pfahl durch den Bauch. Seither soll er nicht mehr erschienen sein. Heute erschreckt man höchstens noch die Kinder mit seinem Namen: „Net maocht Lichtet, der Parde-Michel kit!“


Friedrich Schuster, Der Weisse Büffelstier, Ion Creanga Verlag, Bukarest 1989, S. 63


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